Banner

Banner

Donnerstag, Februar 03, 2011

Von Autoren und Übersetzern

Vor kurzem ist mir das erste Mal aufgefallen, dass Amazon neben dem Autor neuerdings auch den Übersetzer aufführt. Mag sein, dass das schon länger so ist, auf jeden Fall ist es eine völlig neue Entwicklung. Und dringend nötig. Zumal die meisten Verlage den Übersetzer nicht mal auf dem Cover des Buches erwähnen.

Meine literaturübersetzenden Kollegen sind arme Schweine, wirklich. Natürlich finden wir Spielelokalisierer unsere Namen auch nur sehr selten in unseren Werken vermerkt (in den Spielen maximal als Studioname im Abspann, bei den Lösungsbüchern vermutlich ähnlich ... AAA-Produktionen wie Fallout:New Vegas sind dann sogar mal so großzügig, die Namen der einzelnen Übersetzer im Abspann aufzuschlüsseln. Das war's dann aber auch schon), aber immerhin werden wir für vergleichsweise leichtere Arbeit vergleichsweise besser entlohnt.
Auch wenn es sich in den letzten Jahren offensichtlich gebessert hat, ist die Bezahlung für Literaturübersetzungen armselig. Und egal, wie gut oder schlecht die Vorlage ist, die Qualität der Übersetzung hängt einzig und allein vom Übersetzer ab.

Was ist einfacher? Ein Buch zu schreiben oder ein Buch zu übersetzen?
Das hängt wohl vor allem von den persönlichen Vorlieben ab. Ich für meinen Teil würde mir bei aller gegebenen Bescheidenheit durchaus hervorragendes Sprachverständnis und einen exzellenten Stil zuschreiben, und auch an Kreativität mangelt es mir in keinster Weise. Aber ein Buch zu schreiben würde mich haushoch überfordern. Und genauso kann ich mir gut vorstellen, dass so manchem begabten Autor das Talent oder die Disziplin zur Übersetzung fehlen würde.

Also ist es grundsätzlich schonmal begrüßenswert, dass es sie gibt, diese idealistischen Brüder und Schwestern im Dienste der Literaturübersetzung. Allerdings darf man als Konsument einer Literaturübersetzung nie vergessen, wessen Buch man da gerade liest ... nämlich das des Übersetzers.

Die Story, die Charaktere, die Requisiten, all das stammt natürlich immer noch aus dem Kopf und der Hand des Autoren. Aber egal, wie gut oder schlecht der Leserin des neuesten Glitzervampirromans der "Schreibstil" gefällt, es ist der Schreibstil des Übersetzers. "Gut geschrieben" oder "unlesbar" steht und fällt mit dem Übersetzer.

Wie ich meine braven Schülerlein am FIM ehemals gelehrt habe: Ehre das Wort, nicht die Konstruktion. Das ist und bleibt mein persönliches Credo beim Übersetzen, und ich gehe davon aus, dass viele (gute!) Übersetzer ähnlich vorgehen.
Das bedeutet: Wenn ich davon ausgehe, dass der Autor, den ich übersetze, sich einigermaßen Gedanken über das gemacht hat, was er da zu Papier bringt (und diesen Respekt sollte man dem Original grundsätzlich zollen, egal ob es angebracht ist oder nicht), dann sollte ich jedes Wort für bare Münze nehmen. Und gleichzeitig die Satzkonstruktion so umstellen, dass es in der Zielsprache angenehm zu lesen ist.

Beispiel: He eyed the guardsman, all the while fumbling to draw his scimitar.

Wörter: eyed, guardsman, fumbling to draw, scimitar. Da wir den Autoren respektieren, gehen wir davon aus, dass diese vier Wörter bewusst gewählt und Alternativen wie "looked at", "guard", "trying to draw" und "sword" vorgezogen wurden. Deswegen versuche ich, diese Ausdrücke im Deutschen exakt wiederzugeben.

Ob ich die Konstruktion jetzt übersetze mit "Er behielt den Gardisten genau im Auge, während er ungeschickt versuchte, seinen Krummsäbel zu ziehen" oder den Satz umstelle oder sogar mehr oder weniger Sätze daraus mache, ist meinem Sprachgefühl überlassen. Jede Sprache hat ihren eigenen Sprachfluss, und Versuche, den Fluss einer Sprache in eine andere zu kopieren, enden meist in Katastrophen.

Das Ergebnis einer Übersetzung muss immer die perfekte Balance aus Originaltreue und Lesbarkeit sein. Es gibt Koryphäen wie Harry Rowohlt und Andreas Brandhorst, die diesen Seiltanz perfekt beherrschen; leider gibt es auch eine Menge beinahe unlesbarer Übersetzungen, die ihr Scheitern einerseits schlechten Übersetzern, andererseits aber auch oft der Inkompatibilität von Original- und Zielsprache schulden. So lese ich für meinen Teil äußerst ungern deutsche Übersetzungen aus dem Spanischen und Portugiesischen, da das Temparament und die Wirkung des Originals meist völlig auf der Strecke bleiben; was beim Leser ankommt, ist gestelzt, "unecht" klingendes Deutsch (traurige Beispiele: CR Zafón, P Coelho). Dagegen ist das Russische traumhaft kompatibel zum Deutschen.

Um meinen ausschweifenden Exkurs (ich höre mich einfach so unglaublich gerne tippen ...) zum Ende zu bringen: Der Übersetzer eines Buches ist meines Erachtens mindestens genauso wichtig für den Leser wie der Autor des Originals; wer den Schreibstil eines übersetzten Buches gut findet, sollte sich möglicherweise sogar nach weiteren Büchern des jeweiligen Übersetzers umsehen, was dank Amazon ja problemlos möglich ist.

Die perfekte Kennzeichnung von übersetzten Romanen sähe meiner Meinung nach so aus:

(Name des Übersetzers)
nach einer Vorlage von
(Name des Autors)

Dabei könnte man natürlich der Gewinnmaximierung zuliebe den Namen des Autors deutlich größer als den Namen des Übersetzers drucken. Aber dem Leser gegenüber wäre diese Darstellung deutlich fairer.

Keine Kommentare: