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Sonntag, Dezember 05, 2010

As Seen On TV

Was passiert, wenn man in der Zeitung unter "Ferner liefen" einen Zweizeiler über einen Prahlhans liest, der bei nem gefährlichen Stunt vor ner Handvoll Freunden böse aufs Maul gefallen ist? Richtig, man lacht dreckig, schüttelt den Kopf und blättert weiter.
Nicht so, wenn der Prahlhans sich im Fernsehen aufs Gesicht legt. Denn Dinge, die im Fernsehen passieren, sind grundsätzlich relevant. Nicht zwingend gut oder böse, nett oder schlecht, positiv oder negativ, aber immer relevant.

Wenn Dieter Bohlen in der Dauerwerbesendung DSDS die Überlegenheit des Musiktalents XYZ in den Himmel lobt, die sich gerade mit wabernder Stimme durch ein Cover einer austauschbaren Mariah-Carey-Ballade gekämpft hat, dann ist das relevant. Und definitiv nicht anzuzweifeln, weil es ja schließlich der Bohlen gesagt hat. Und der ist ja zum einen eine Koryphäe auf dem Gebiet der Musik und zum anderen ein unglaublich kritischer Geselle, der nie jemanden lobt. Woher wir das wissen? Weil es uns RTL gesagt hat. Und das Fernsehen lügt nie. Deswegen kaufen wir auch schön brav das (praktischerweise auch gleich auf RTL beworbene) Produkt dieser Megatalente. Und sind überzeugt, dass es bei Heidi Klums Modelcamp tatsächlich darum geht, talentierte Models zu finden, und nicht nur hübsche Gesichtchen für die Trailerspots von Pro 7.
Wahrscheinlich lassen sich deswegen auch Menschen jenseits der Zielgruppe, die morgens Hilfe beim Finden der Toilette braucht, dazu hinreißen, bei 9Live anzurufen oder sich Messersets im Fernsehen zu bestellen ("bestellen Sie jetzt und Sie erhalten nicht nur 15 weitere Messersets, sondern auch einen Entgräter und acht weitere Dinge, die nur unnötig Lagerplatz wegnehmen"). Kommt schließlich im Fernsehen, und das Fernsehen ist gut zu uns.

Dem Fernsehen glauben wir. Wir vertrauen ihm. Schließlich hat es uns großgezogen, ist Teil der Familie. Und wenn uns das Fernsehen sagt, dass Sarah Connor nach jahrelangem Hiatus jetzt plötzlich wieder relevant ist und darüber hinaus völlig unerwartet mit der Keule des musikalischen Fachwissens verdroschen wurde, dann ist das so. Wenn uns VOX und die RTL Group wie ehemals PRO7 samt zugehöriger Media AG (Sat 1, Kabel 1, sixx) mit ihrer Lena eine omnipräsente Sarah Connor präsentiert, dann hat das nicht etwa damit zu tun, dass man sich auf Biegen und Brechen einen eigenen B-Promi heranzüchten will, nein, Sarah Connor ist nach ihrer Pause tatsächlich irgendwie relevant geworden und verdient deshalb unsere Aufmerksamkeit.

Wenn "der Samuel" bei einem völlig hirnrissigen Stunt von den Gesetzen der natürlichen Auslese heimgesucht wird, trauern plötzlich Millionen Zuschauer vor den Fernsehgeräten. Wenn in den Krisenregionen dieser Welt Menschen sterben, interessiert das keine Sau. Außer natürlich, sie sind schlau genug, vor einer Kamera zu leiden und zu sterben. Dann ist es plötzlich wieder relevant.

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